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Viruslast: Testsysteme und Interpretationshilfen bei niedrigen Viruslastwerten

Patrick Braun

Das Ziel einer antiretroviralen Therapie ist die Viruslast unter den klinischen Schwellenwert von 50 HIV-1 RNA Kopien/ml zu senken. Damit ist die Viruslast der wichtigste Surrogatmarker zur Beurteilung eines Therapieerfolges. Der gemessene Wert wird in HIV-1 RNA Kopien pro Milliliter (EDTA-Plasma) angegeben und korreliert proportional mit der Anzahl an Viren im Blut. Insbesondere bei wissenschaftlichen Publikationen erfolgt die Angabe auch logarithmisch. Auch zur Beurteilung des Risikos einer Krankheitsprogression liefert die Viruslastmessung wertvolle Hinweise. Werte von größer 100.000 HIV-1 RNA Kopien/ml sind mit eine rascherem Krankheitsverlauf assoziiert. Es ist jedoch nur ein Richtwert, der individuell variieren kann.

Zur Viruslastmessung stehen verschiedene kommerzielle Testsysteme zur Verfügung. In Deutschland sind derzeit (2014) die zwei Echtzeit-PCR Systeme RealTime HIV-1 (Abbott) und COBAS TaqMan HIV-1 Test v2.0 (Roche) am weitesten verbreitet. Jedoch ist der Markt sehr dynamisch und andere Testsysteme wie Versant HIV-1 RNA 1.0 Assay (Siemens) und artus HIV-1 QS-RGQ(Qiagen) drängen in den Markt. Für das Monitoring einer HIV-2 Infektion gibt es keine kommerziellen Testsysteme. Es werden hier selbstentwickelte Methoden verwendet.

Die in Deutschland verwendeten HIV-1 Viruslast-Messsysteme decken einen linearen Bereich von 20-40 bis mehreren Millionen HIV-1 RNA Kopien/ml ab und haben alle eine Nachweisgrenze, die unter dem therapeutisch relevanten Schwellenwert von 50 HIV-1 RNA Kopien/ml liegt.  Unter den entsprechenden Nachweisgrenzen können Viren bis zu einem bestimmten Grenzbereich noch detektiert, aber nicht mehr quantifiziert werden. Diese Information wird häufig im Befund mit aufgeführt, hat aber derzeit keine klinische Relevanz. Im generellen ist die Messgenauigkeit der Testsysteme recht gut, jedoch ist bei der Interpretation der Ergebnisse eine technisch-bedingte Schwankungsbreite von 0,5 log zu berücksichtigen. Dies entspricht einem Faktor von drei der Absolutwerte.

Nicht immer sind Schwankungen der Viruslast methodenbedingt (s. Tabelle 1). Neben einem Resistenz-basiertem Versagen, gibt es Einflussfaktoren, die zu einer kurzfristigen Erhöhung der Viruslast führen. So kann beispielsweise die HIV-1 RNA nach einer Influenza-Impfung oder bei einer interkurrierenden Infektion mit Treponema pallidum vorübergehend ansteigen. Des Weiteren können parallel eingenommene pharmazeutische Wirkstoffe oder biologische Substanzen (z.B. Johanniskraut) zu einem Wirkverlust der antiretroviralen Therapie und damit einhergehend zu einem Anstieg der Viruslast führen. Nicht selten ist ein Anstieg der HIV-1 RNA Konzentration auf eine unregelmäßige Einnahme der Medikamente zurückzuführen. In jedem Fall ist es wichtig, Viruslastwerte von mehr als 50 Kopien/ml, bei Patienten die zuvor Werte unter dem klinischen Schwellenwert hatten, zeitnah zu kontrollieren. Häufig handelt es sich um ein einmaliges Ereignis, das als "Blip" bezeichnet wird und bei einer zeitnahen wiederholten Messung nicht reproduzierbar ist. Weiterhin ist zu beachten, dass es systematische Abweichungen zwischen den Messsystemen gibt. Es kann also sinnvoll sein, kontinuierlich niedrig virämische Proben mit einem anderen System zu kontrollieren.

Bei einer Therapieeinstellung oder Umstellung sollte die Viruslast zum Zeitpunkt des Wechsels und dann in Abständen von vier Wochen gemessen werden. Wenn die Viruslast unter 50 HIV-1RNA Kopien/ml gesenkt wurde, können die Kontrollmessungen quartalsweise erfolgen.
  Tab. 2 Checkliste bei Patienten mit niedrig nachweisbarer Viruslast 

Ausschlussfaktoren

Mögliche Vorgehensweise / Hinweise

Verwechslung

Wiederholung mit neuem Untersuchungsmaterial

Technisch bedingte Messungenauigkeit

Wiederholung der Viruslastmessung.

Eventuell mit einem anderen Testsystem

Präanalytik

Zu lange oder falsche Lagerung des Untersuchungsmaterials. EDTA-Vollblut innerhalb von 24 Stunden bearbeiten. 

Blip

Viruslastmessung mit Probe von einer neuen Blutentnahme wiederholen

Resistenz

Bei Nachweis von Mutationen, sofortige Therapieoptimierung

Interkurrente Infekte

Wiederholung der Viruslastmessung nach erfolgreicher Behandlung

Impfungen

Wiederholung der Viruslastmessung 4 bis 8 Wochen nach Impfung

Medikamenteninteraktionen

Bestimmung der Medikamentenkonzentration

Inadäquate Therapietreue

Bestimmung der Medikamentenkonzentration

Viruslast zuvor nicht supprimiert

Therapieumstellung oder -intensivierung?

Therapiedauer < 6 Monate?

Virämie kritischer wenn Therapiebeginn mehr als 6 Monate zurückliegt.

Kontinuierlicher Abfall der CD4 Zellzahl

Viruslast unterquantifiziert? Eventuell Wiederholung mit anderem Testsystem. HIV-2 ausschließen.

Zellulärer Aktivierungsgrad (CD8/CD38) erhöht

Infekte ausschließen.

Engmaschige Kontrolle der HI-Viruslast.

Interpretation der Viruslast in Abhängigkeit vom Therapiestatus

Ohne Therapie? Ersttherapie? Salvage Therapie? Viruslastanstieg nach Suppression? Usw.



 

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Seite zuletzt geändert am 16.11.2018 16:46:00