Nierenerkrankungen
Heiko Billing
Einleitung
Patienten
mit einer HIV-Infektion haben ein erhöhtes Risiko für ein akutes Nierenversagen
(ANV) oder die Entwicklung einer chronischen Nierenerinsuffizienz (CNI), beides
können Folge nephrotoxischer medikamentöser Therapien, der klassischen
HIV-assoziierten Nephropathie, Immunkomplex-Nephritiden oder einer
thrombotischen Mikroangiopathie (TMA) sein. Da die HIV-Patienten heutzutage dtl. älter werden können, spielen auch
vermehrt Nierenerkrangungen, die durch Heptitis B oder -C Co-Infektionen entstehen können eine
Rolle.
Die
sog. kollabierende fokalsegmentale Glomerulosclerose (FSGS) wird als Hauptform
der HIV-Nephropathien (HIVAN) angesehen, sie wird in 60% der Nierenbiopsien bei
HIV-Patienten gefunden. Jedoch kommen noch weiter Nephropathieformen bei
HIV-Patienten vor. Unabhängig von der histologischen Diagnose ist das Auftreten
einer Proteinurie und/oder eingeschränkten Nierenfunktion mit einer erhöhten
Mortalität und einer schlechten Prognose assoziiert. Bei etwas 40% der Patienten, die bei V.a. auf
HIVAN nierenbiopsiert wurden zeigt sich histologisch eine andere
zugrundeliegende Nephropathie: klassische FSGS (21%), MPGN (6%), Amyloidose
(4%), Diabetische Nephropathie (4%), Lupus-like immunkomplex GN (4%) und 5%
andere.
Akutes
Nierenversagen
Insgesamt
ist das Risiko für ein akutes Nierenversagen (ANV) bei Patienten mit einer
HIV-Infektion höher als bei Patienten ohne HIV-Infektion und die Häufigkeit
eines ANV ist nach Einführung von HAART (highly active antiretroviral therapy) im Vergleich zu der Ära vor HAART steigend,
während die Krankenhausmortalität gesunken ist.
Das
Risiko eine ANV zu erleiden scheint bei Patienten, die HAART erhalten höher zu
sein (12 vs. 4%), betroffen sind aber auch Patienten mit einer HIV-assoziierten
Co-Infektion. Weitere Faktoren sind eine niedrige Zahl C4d positiver T-Zellen,
eine hohe Viruslast oder eine Infektion mit Hepatitis C.
Die
Häufigste Ursache für ein ANV sind prärenaler Genese, bei ca. 39% liegt eine Exikkose,
Herzinsuffizienz oder Leberzirrhose zugrunde, oder zeigen eine akute
Tubulusnekrose (ATN), die durch Gabe nephrotoxische Medikamente (37%) entsteht.
Das Vorkommen einer interstitiellen Nephritis wird mit ca. 5% angegeben.
Eine
seltene Ursache des ANV kann auch eine thrombotische Mikroangiopathie (TMA)
sein. Die Ätiologie ist allerdings bisher unklar.
Chronisches
Nierenversagen
Die
Häufigkeit der HIV-assoziierten terminalen Niereninsuffizienz scheint zu
zunehmen, da auch die Zahl der HIV-Infektion weiter steigt. Risikofaktoren für
die Entwicklung einer chronischen Niereninsuffizienz bei HIV-infizierten
Erwachsenen sind eine Hepatitis C-Infektion, niedrige CD4-T-Zellen und eine
hohe HIV-Viruslast. Eine Behandlung mit Tenovovir Disoproxil Fumarate (TDF) und
eine intensivierte Therapie mit Protease-Inhibitoren sind auch mit einer
verminderten GFR assoziiert. Hingen
scheint HAART die Progression der chronischen Niereninsuffizienz zu
verlangsamen. Seit Beginn der HAART 1995 konnte das Erreichen der terminalen
Niereninsuffizienz unter HAART um 30% reduziert werden. Neuere Daten zeigen
sogar, dass HAART womöglich die Entwicklung einer FSGS vorbeugen kann. Eine
Retrospektive Analyse an 4000 HIV-Patienten zwischen 1989 und 2001 beobachtete
ein 60% geringeres Risiko an einer HIV-Nephropathie zu erkranken, wenn mit
HAART behandelt wurde.
Die
Ursachen der chronischen Niereninsuffizienz (CNI) bei HIV-infizierten Patienten
reicht von HIV-unabhängigen Beschwerden (wie z.B. Bluthochdruck, Diabetes), bis
hin zur HIV-assoziierten Nephropathie (HIVAN) oder anderen immunkomplex
vermittelten Glomerulonephritiden.
HIVAN
ist die klassische Form der Nierenbeteiligung bei HIV-Infektionen, sie wurde
ertsmals 1984 bei Patienten mit vorangeschrittener HIV-Infektion beschrieben.
HIVAN ist eine kollabierende FSGS mit zusätzlich erweiterten Tubuli und
interstitieller Infammation. Neuere Daten aus den USA zeigen, dass v.a.
Schwarz-Afrikaner an einer terminalen Niereninsuffizienz erkranken.
Typischerweise präsentieren sich Patienten mit einem Nephrotischem Syndrom (Ödemen,
große Proteinurie und geringer Hämaturie). Eine progressive Verschlechterung
der Nierenfunktion wird häufig beobachtet, bis zur terminale
Niereninsuffizienz, innerhalb von 1 bis 4 Monate. Wie bereits erwähnt führt die
Behandlung mit der "highly active antiretroviral therapy" (HAART) zu
einer Progressionsverlangsamung der Nierenfunktionsverschlechterung.
Therapie
Es gibt bisher keine belegte erfolgreiche Therapie der HIV-assoziierten FSGS.
Die Basistherapie besteht jedoch aus HAART und ACE-Hemmern.
ACE-Hemmer und Angiotensin II
Rezeptorblocker
Die Reduktion der Proteinurie und
Verlangsamung der Progression der Nierenfunktionsverschlechterung unter
ACE-Hemmertherapie konnte in kleinere Studien gezeigt werden. Derzeit läuft
eine Studie der "AIDS clinical trial group", die den Effekt einer
kombinierten Therapie mit HAART plus Angiotensin II Rezeptorblocker und HAART
allein untersucht.
HAART und Immunsuppression
Der Einsatz von Glukokortikoiden bei
HIVAN wird derzeit nicht empfohlen. Bei
progressiver Niereninsuffizienz wird individuell ein Heilversuch mit einer
Glukokortikoidtherapie durchgeführt. Cyclosporin A und andere
Immunsuppressiva wurden versuchsweise eingesetzt.
HAART und Dialyse
Der
Beginn einer Dialysebehandlung bei HIV -Patienten unterliegt den allgemeinen
Empfehlungen zur Nierenersatztherapie. Die Durchführung einer Hämodialyse oder
Peritonealdialyse ist gleich effektiv. Die Prävalenz der HIV-assoziierten
terminalen Niereninsuffizienz wird mit ca. 1 % aller terminal
niereninsuffizienter Patienten in 2000 angegeben.
In Berichten der 80er Jahre war die Mortalität der HIV-Patient an der Dialyse
sehr hoch, fast 100% nach einem Jahr. Durch die Einführung von HAART wurde das
Ein-Jahres-Überleben der Dialysepatienten von 47 % zwischen 1990 bis 1994 auf
65% zwischen den Jahren 1995 und 2001 verbessert. Eine prospektive Studie aus
Frankreich berichtet über ähnliche Überlebensdaten (ca. 89%) von 164
HIV-Patienten an der Hämodialyse.
Die Auswahl und Dosierung der antiretroviralen Medikamente unterliegt
besonderen Maßgaben und ist bei Überdosierung mit erhöhter Mortalität
assoziiert. Dialysepatienten unter Langzeitbehandlung mit HAART haben ein
erhöhtes kardiovaskuläres Risiko. Medikamente, die Proteaseinhibitoren und
Nukleoside enthalten können mit metabolischen Veränderungen und endothelialer
Dysfunktion assoziiert sein.
Nierentransplantation
Die Organtransplantation ist eine durchführbare
Möglichkeit für Patienten mit HIVAN und terminaler Niereninsuffizienz. Das
Patienten- und Transplantatüberleben sind wahrscheinlich vergleichbar zu
nicht-HIV infizierten Patienten. Ein Vorraussetzung ist eine gut kontrollierte
HIV-Infektion. Eine Entscheidung zur Organtransplantation muss individuell
gefällt werden und sollte in einem erfahrenen Zentrum durchgeführt werden. Es
müssen Interaktion der immunsuppressiven Medikamente (Sandimmun, Tacrolimus,
Cellcept) mit den Virustatika beachtet werden.
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