Syphilis
Martin Hartmann
Die Syphilis gehört wie die Tuberkulose oder Lepra zu den chronisch zyklischen Infektionskrankheiten und verläuft unbehandelt über Jahrzehnte. Sie wird eingeteilt in eine Frühsyphilis (bis 1 Jahr nach Infektion) mit den Stadien Syphilis I, in der die Krankheitsmanifestationen lokalisiert sind und Syphilis II mit generalisierten Krankheitserscheinungen sowie eine Spätsyphilis oder tertiäre Syphilis. Der Verlauf der unbehandelten Syphilis wurde 1890 in der 'Oslo-Studie' untersucht, in der 1978 Patienten verfolgt wurden. Eine Spontanheilung der Syphilis wurde in ca. 30% der Fälle beobachtet. In ca. 7.5% trat eine Neurosyphilis auf.
Ansteckend ist vorwiegend die Syphilis I und II, weniger die Syphilis III. Ungeschützter Geschlechtsverkehr mit einem infizierten Partner mit genitalen Läsionen führt in ca. 30% zur Infektion.
Der Erreger
Treponema pallidum gehört zur Familie der Spirochaeten mit den humanpathogenen Gattungen Treponema, Borrelia und Leptospira. Der Name rührt daher, daß sich diese Treponemen nur wenig im normalen Lichtmikroskop kontrastiert. Das Treponema ist ein spiralig gewundenes, an den Enden zugespitzes Bakterium, dessen Länge zwischen 4 und 14 µm und dessen Durchmesser von 0,13 bis 0,25 µm schwankt. Die Teilung erfolgt ca. alle 30 Stunden. Eine Anzüchtung gelingt im Kaninchenhoden.
Diagnostik
Dier Direktnachweis muß aus dem sogenannten Reizsekret im Dunkelfeldmikroskop erfolgen. Durch vorsichtiges Ausstreichen des Primäraffekts oder anderer Hauterscheinigungen kann interstitieller Gewebssaft gewonnen werden.
Eine PCR steht momentan nicht kommerziell zur Verfügung. Ein Direktnachweis kann auch mit der direkten Immunfluoreszenz am Gewebeschnitt erfolgen.
Bei der Serodiagnostik (Antikörperdiagnostik) der Syphilis werden grundsätzlich zwei Antikörpergruppen unterschieden: Antikörper, die gegen ein unspezifisches Antigen (Cardiolipin) gerichtet sind und spezifische treponemale Antikörper. Der bekannteste unsprezifische Test, der VDRL-Test (Veneral Disease Research Laboratories) wird quantitativ durchgeführt und dient auch zur Therapiekontrolle. Er wird zwischen der 5. - 6. Woche positiv.
Beim spezifischen TPPA-Test (Treponema-pallidum-Partikel-Test) agglutinieren mit Treponemen beschichtete Partikel nach Zugabe von antikörperpositivem Serum. Dieser Test wird auch quantitativ durchgeführt und ist 3 bis 4 Wochen nach Infektion positiv.
Beim FTA-Test (Treponema-pallidum-Antikörper-Fluoreszenztest) werden Treponema pallidum beschichtete Objektträger mit Serum inkubiert. Der gebildete Antigen-Antikörperkomplex wird mit einem fluoreszeinmarkierten antihumanen Immunglobulin sichtbar gemacht. Der FTA-ABS-Test wird ca. 4 Wochen nach Infektion positiv. Inzwischen stehen auch kommerzielle Antikörper-EIA-Teste und Western Blot Teste zur Verfügung.
Für die serologische Diagnose sollte zunächst ein Such-Test durchgeführt werden (geeignet: TPPA oder EIA). Falls dieser positiv ausfällt, sollte ein Bestätigungs-Test veranlasst werden (geeignet: FTA-ABS, IgG-Western Blot, oder TPPA-Test bei positivem EIA-Test und umgekehrt). Bei bestätigter Syphilisdiagnose sollten die Aktivitätsparameter (VDRL oder KBR-quantitativ) bestimmt werden und/oder ein IgM-Nachweis (ab der 2. Woche positiv) durchgeführt werden.
Klinik der Syphilis
Erste Krankheitserscheinungen treten an Stellen mit meist unbemerkten Gewebsdefekten nach direktem Kontakt mit Treponema pallidum auf. Die Inkubationszeit beträgt zwei bis vier Wochen. Der Primäraffekt beginnt als Papel, daraus entsteht das Ulcus durum mit einem scharfen abgesetzten wallartigen Rand. Das Ulcus selber ist schmerzarm. Beim Mann ist meist die glans penis betroffen. In etwa 10% finden sich extragenitale Primäraffekte an den Lippen und in der Mundhöhle. Der Primäraffekt heilt nach 4-6 Wochen spontan ab. Gleichzeitig oder kurz nach Auftreten des Primäraffektes kommt es zu einer regionalen Lymphknotenschwellung im zugehörigen Abflußgebiet. Die klassischen Seroreaktionen fallen frühestens 2-3 Wochen nach Auftreten des Primäraffektes positiv aus.
Im Rahmen der immunologischen Reaktion können vor Auftreten des Exanthems Fieber, Müdigkeit, Kopf-, Gelenk- oder Muskelschmerzen auftreten (Syphilis II). Das Sekundärstadium beginnt etwa 9 Wochen nach Infektion mit einer hämatogenen und lymphogenen Streuung der Treponemen. Gleichzeitig besteht fast immer eine Polyskleradenitis. Die spezifischen Exantheme und Enantheme werden Syphilide genannt und zeichnet sich durch eine hohe Variabilität aus. Typischerweise tritt ein erst stammbetontes oft kaum erkenntliches masernähnliches Exanthem ohne Juckreiz auf (makulöses Syphilid oder Roseola).
Im Kopfhaarbereich kann es zu mottenfraßartigem Haarausfall kommen (Alopecia specifica areolaris). Im Bereich des behaarten Kopfes und besonders im Bartbereich treten himbeer- bis blumenkohlähnliche Papillome auf (frambösiformes Syphilid). Neben den Syphiliden der Hohlhand oder der Fußsohlen (Palmoplantarsyphilide) beobachtet man häufiger übermäßige Hornhautbildung (Clavi syphilitici). Im Bereich der intertriginösen Areale könen sich bis markstückgroße derbe Papeln bilden, die später zu erregerreichen vegetierenden Papelbeeten konfluieren (Condylomata lata). Etwa zwei Jahre nach Infektion klingen die Hauterscheinungen in der Regel ab (seropositive latente Syphilis).
Durch die Penicillintherapie sind die klassischen klinischen Bilder des Tertiärstadiums nur noch selten zu sehen. Kommt es nicht zu einem spontanen Ausheilen der Erkrankung, treten nach mehr als 5 Jahren nach Infektion Manifestationen der tertiären Syphilis auf. Die Hautveränderungen imponieren als Syphilis tuberosa und gummosa. An kardiovaskulären Komplikationen kann 10-30 Jahre nach Infektion die Spontanruptur luischer Aneurysmen der Aorta lebensgefährliche Folgen haben. Die Spätsyphilis des zentralen Nervensystems wird unterschieden in Tabes dorsalis und progressive Paralyse.
Therapie
Die Therapie der ersten Wahl ist in allen Stadien bis heute Penicillin. Eine Resistenz gegen Penicillin ist bisher nicht bekannt. Die deutschen (http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/059-002l_S2k_Diagnostik_Therapie_Syphilis_2014_07.pdf) und europäischen Richtlinien (http://www.iusti.org/regions/europe/pdf/2014/2014SyphilisguidelineEuropean.pdf) sowie die der amerikanischen Gesundheitsbehörde (https://www.cdc.gov/std/tg2015/tg-2015-print.pdf) weichen nur geringfügig voneinander ab. Wegen des langsamen Reproduktionszyklus von Spirochäten ist zur erfolgreichen Therapie der Syphilis ein kontinuierlicher Serumspiegel des Antibiotikums notwendig. Die empfohlenen Therapien sollten dies gewährleisten.
Das Mittel der Wahl bei Frühsyphilis ist einmalig Benzathin-Penicillin (Pendysin®, 2,4 Mio. IE intramuskulär (2x1,2 Mio IE gluteal bds.). Bei raschem Erregerzerfall kann es zu toxischen systemischen Reaktionen kommen (Schüttelfrost, Fieber und Kopfschmerzen). Bei der Therapie der Spätsyphilis wird Benzathin-Penicillin 2,4 Mio. IE pro Woche über 3 Wochen empfohlen.
Bei Penicillinallergie ist eine Hyposensibilisierung mit Penicillin fast immer erfolgreich. Obwohl Ceftriaxon und Azithromycin bei der Syphilis wirksam sind, fehlen größere kontrollierte Studien.Inzwischen wurden erste Resistenzen gegen Azithromycin beobachtet. Die Therapie der Neurosyphilis besteht in einer Infusion- und Injektionsbehandlung: Für 10 Tage Penicillin G-Infusionen mit 6 x 5 Mio. IE und anschließend Benzathin-Penicillin 2,4 Mio. IE pro Woche über 3 Wochen.
Eine Therapiekontrolle sollte alle 3 Monate mit TPPA und KBR/VDRL (quantitativ) und/oder IgM-Nachweis erfolgen. Das serologische Therapieansprechen kann bei HIV-Infektion verzögert sein und bei wiederholten Reinfektionen ausbleiben.
Syphilis und HIV-Infektion
In einer retrospektiven deutschen Untersuchung fiel bei den HIV-positiven Patienten an klinischen Manifestationen die Syphilis maligna mit 7,25% und die Neurosyphilis mit 19,7% auf. Die sonst selten gesehene Syphilis maligna wurde bei HIV-Infektion bisher unter dem Bild eines pustulo-nekrotischen Syphilids, einer Rupia syphilitica (austernschalenartige Krustenbildung) oder am häufigsten eines Ecthyma syphiliticum beschrieben. Gleichzeitig bestehen nicht selten Allgemeinsymptome wie erhöhte Temperaturen oder Abgeschlagenheit, eine Skleradenitis fehlt. Die Syphilis maligna spricht meist gut auf eine Penicillintherapie an.
Vor allem im Latenzstadium der HIV-Infektion sind sehr hohe Titer in den quantitativen Testen der Syphilisserologie bekannt. Diese können im Suchtest sogar ein falsch negatives Testergebnis bewirken (Prozonen-Phänomen). Bei bis zu 10% der Patienten ist mit einer falsch negativen Syphilisserologie zu rechnen.
Die Benzathin-Penicillinbehandlung ist auch bei HIV-assoziierter Frühsyphilis und Immundefekt nicht immer ausreichend. Eine schnelle Progression zu tertiärer Syphilis wurde trotz regelrecht durchgeführter Penicillintherapie beobachtet. Trotz adäquater Therapie einer Frühsyphilis kann die Entwicklung einer Neurosyphilis bei HIV-Infektion nicht immer verhindert werden. Im Einzelfall kommt es auch unter einer hochdosierten intravenösen Penicillingabe zur Neurosyphilis. HIV-Patienten, die rechtzeitig eine antiretrovirale Therapie (HAART) erhalten haben, zeigen diese Besonderheiten nicht mehr. Bei bestehendem Immundefekt sollte auch bei einer Frühsyphilis eine 3-wöchige Therapie erwogen werden (s. o.).
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Literatur